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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 5 V 1100/06
Rechtsgebiete: FGO, StBerG, EGV


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 4 S. 1
FGO § 69 Abs. 4 S. 2
StBerG § 3 Nr. 4
EGV Art. 50
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

5 V 1100/06

Zurückweisung als Bevollmächtigter der Eheleute H. und M. H. gem. § 80 Abs.5 AO

(Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 Abs.3 FGO)

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat -

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2006

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...

den Richter am Finanzgericht ...

die Richterin am Finanzgericht ...

den ehrenamtlichen Richter ...

den ehrenamtlichen Richter ...

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Mit ihrem Antrag gemäß § 69 FGO begehrt die Antragstellerin, die Vollziehung ihrer Zurückweisung als Bevollmächtigte der Eheleute H auszusetzen.

Die Antragstellerin - im Folgenden: AStin - ist eine am 15. Juli 2005 in Großbritannien gegründete und registrierte Limited mit Niederlassungen in E/Belgien und V/Niederlande. Über ihre Niederlassungen vertritt sie im Inland ansässige Steuerpflichtige gegenüber deutschen Finanzbehörden in steuerlichen Angelegenheiten. In ihren Geschäftsbriefen sind ihre Registrierungsadresse sowie ihre belgische und niederländische Niederlassungsanschrift angegeben. Als Tätigkeitsbereiche führt sie in ihren Geschäftsbriefen "Wirtschaftsberatung, Steuerberatung und Rechnungswesen" auf. Ihre niederländische Berufsbezeichnung "Belastingadviesbureau" führt sich nicht auf. Im Königreich Belgien muss ein Steuerberater in das vom Institut der Buchprüfer und Steuerberater geführte Verzeichnis der Steuerberater aufgenommen sein, um als solcher tätig werden zu dürfen. In den Niederlanden ist es grundsätzlich jedem erlaubt, sich ohne Nachweis besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet der Steuerberatung zu betätigen und sich als Belastingadviseur bzw. als Belastinadviesbureau im Handelsregister eintragen zu lassen. Ausweislich des von der AStin vorgelegten niederländischen Handelsregisterauszuges sind H. T. und E. S. Direktoren der AStin. Beide sind im Inland wohnhaft. Bis in das Jahr 2000 war Herr T im Inland zugelassener Steuerberater. Wegen Vermögensverfalls wurde seine Bestellung zum Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG im Jahr 2000 durch die zuständige Steuerberaterkammer widerrufen. Klage, Nichtzulassungsbeschwerde und Verfassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg. Frau S ist gemäß § 3 Nr. 1 StBerG im Inland nicht zur Steuerberatung befugt.

Mit Bescheid vom 7. November 2005 wies der Antragsgegner - im Folgenden: Ag - die AStin als Bevollmächtigte der Eheleute H gemäß § 80 Abs. 5 AO unter Hinweis auf die Unwirksamkeit seiner Verfahrenshandlungen gemäß § 80 Abs. 8 S. 2 AO zurück. Ihren Einspruch begründete die AStin im Wesentlichen damit, dass der Ag ihre Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EGV und insbesondere die im Urteil des EuGH vom 30. September - C-167/01 - zur Niederlassungsfreiheit aufgeführten Grundsätze missachtet habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2005 wies der Ag den Einspruch zurück. Am 14. November 2005 beantragte die AStin gemäß § 361 AO die Vollziehung des Bescheides gemäß § 80 Abs. 5 AO auszusetzen. Hierüber hat der Ag bisher nicht entschieden.

Zur Begründung ihres Aussetzungsantrages vom 19. Januar 2006 trägt die AStin im Wesentlichen vor, solange sie sich im Inland nicht niederlasse, sei sie gemäß § 3 Nr. 4 StBerG von ihren Niederlassungen zur umfassenden Steuerberatung befugt. Aus der Entscheidung des EUGH vom 30. September 2003 - Rs. C-167/01, Inspire Art Ltd. gehe hervor, dass die Einschränkungen gemäß § 3 Nr. 4 StBerG rechtswidrig seien. Sie sei zur Beratung und Vertretung der bezeichneten Steuerpflichtigen befugt.

Die AStin beantragt,

1. die Vollziehung des Bescheides vom 7. November 2005 auszusetzen,

2. hilfsweise

die Beschwerde zuzulassen.

Der Ag beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 StBerG seien durch die AStin nicht erfüllt. Im Sinne des § 3 Nr. 4 StBerG i.V.m. Art. 50 EG-Vertrag erbringe sie im Inland keine nur vorübergehende, grenzüberschreitende geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen. Vielmehr sei ihre Tätigkeit im Inland auf Dauer angelegt, erfolge regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich. Sie sei errichtet worden, um den verantwortlichen Personen (H.T. und E.S.) als Instrument dafür zu dienen, ihre im Inland fehlende Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen zu unterlaufen.

II.

1. Der Antrag der AStin auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig. Im Regelfall ist der Aussetzungsantrag gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zwar nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zunächst ganz oder teilweise abgelehnt hat. Jedoch ist der Aussetzungsantrag gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO ausnahmsweise ohne vorherige Entscheidung der Finanzbehörde zulässig, wenn die Behörde ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht innerhalb angemessener Frist sachlich entschieden hat.

Vorliegend versäumte der Ag über den Aussetzungsantrag der AStin vom 14. November 2005 innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, zumal er bereits am 14. Dezember 2005 über den Einspruch entschied, den Aussetzungsantrag jedoch ohne zureichende Erklärung bzw. Angabe eines Entscheidungszeitpunktes bisher nicht beschieden hat (vgl. auch Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 25.11.1994 - 12 V 16/93, DStZ 1994, S.95 sowie des FG Hamburg vom 25.9.1980 - V 171/80, EFG 1981, S.251). Bei dieser Sachlage war der bei Gericht am 19. Januar 2006 gestellte Aussetzungsantrag gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig.

2. Der Aussetzungsantrag ist aber unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind begründet, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und bei der Beschränkung auf präsente Beweismittel neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschieden- oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn ernstlich zweifelhaft ist, ob das von der Finanzbehörde angewandte nationale Steuergesetz gegen Grundfreiheiten des EGV verstößt oder sekundären Rechtsvorschriften der EG widerspricht.

Dies zugrunde gelegt sind bei der im Streitfall gebotenen summarischen Prüfung und der Beschränkung auf präsente Beweismittel neben den für die Rechtmäßigkeit der streitigen Steuerbescheide sprechenden Umständen keine derart gewichtigen, gegen deren Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage getreten, die Unentschieden- oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Ag wies die AStin gemäß § 80 Abs. 5 AO zu Recht als Bevollmächtigte der Eheleute H zurück. Gemäß § 3 Nr. 4 StBerG i.V.m. Art. 50 EG-Vertrag ist sie nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen im Inland befugt. Ihre Tätigkeit im Inland stellt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH keine nur vorübergehende, grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen dar (vgl. Urteil des EuGH vom 30.11.1995 - C-55/94 [Gebhardt], NJW 1996, S. 579). Vielmehr ist ihre steuerberatende Tätigkeit im Inland gegenüber einer Vielzahl von Steuerpflichtigen auf Dauer angelegt, erfolgt regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich. Die Aussetzung der Vollziehung ist vorliegend auch nicht deshalb geboten, weil ernstlich zweifelhaft ist, dass § 3 Nr. 4 StBerG gegen Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstößt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Senats vom gleichen Tag in der Hauptsache 5 K 1099/06 verwiesen.

Auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 FGO kommt vorliegend nicht in Betracht. Diese ist nur dann geboten, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (BFH-Beschlüsse vom 18. April 1994 - IX S 1/94, BFH/NV 1995, S.222 und vom 21. Oktober 1993 - IV S 4/93, BFH NV 1994, S. 788).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde gegen den Beschluss wird nicht zugelassen (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO).

Verkündet am: 08.05.2006



Ende der Entscheidung

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